Ente im Sommer
von Brunhild Hauschild, 6/2014

Eigentlich zählen Enten schon seit langem zu den engsten Verbündeten der Menschen. Es gibt zwischen den Menschen und den Ententieren die vielfältigsten Wechselwirkungen.
Manche von uns werden gleich an den Entenbraten denken. Aber auch die Federn werden seit Jahrtausenden geschätzt. Enteneier sollen gut schmecken und eine reichhaltige Mahlzeit sein. In vielen Geschichten und Märchen tauchen Enten auf.
Jeder kennt Donald Duck von Walt Disney. Der wird übrigens in diesem Jahr 80 Jahre alt. Wikipedia verrät, dass Enten sonst in der Natur nur im Durchschnitt drei Jahre alt werden.

Entenhausen?
Im Sommer lebe ich in meinem Wohnwagen am Zeesener See.
Der Wald, in dem die Wohnwagen und Hütten stehen, wird zusehens attraktiver – nun auch für Enten.
Und das ist keine Ente.
Da gab es die Küchenente, die vor zwei Jahren auf einem Küchendach, also einem Anbau neben einer Campinghütte, brütete. Eine Familie meldete eine suchende Ente, die dann in dem benachbarten Reisighaufen verschwand, das muss also eine Höhlenente gewesen sein.
Und in diesem Jahr baute sich eine Ente ein wuschelweiches Nest in einem offenen Fahrradschuppen, gleich hinter den Fahrradspeichen.
Inzwischen ist das Nest leer, aber unsere Campingente schwimmt stolz mit ihren elf Küken in unserer Badebucht umher: „Seht, was ich für schöne Kinder habe! Und wir sind diesmal eine so große Familie!“
Und Helga, die im Bereich Sonnenland wohnt, hatte wochenlang ihren eigenen Vogel. Antje, ihre Haus-und Hüttenente, wurde ihr Schatten, ihr treuer, höriger Begleiter.
Helga taufte die anhängliche Ente „Antje“, da in Norddeutschland die Enten oft „Antjes“ genannt werden. Das wusste Helga von ihren jahrelangen Urlauben im Norden.
Antje wartete schon frühmorgens im Gras, bis Helga ihre Verandatür öffnete. Dann watschelte die Ente heran: „Sieh, ich bin schon da. Nun können wir gemeinsam frühstücken!“ Antje bekam ihren Napf mit frischem Wasser, damit sie auch den letzten Krumen herunter spülen konnte. Ansonsten wollte sie „Helga aus der Hand fressen“, in diesem Fall schnabulieren. Antje machte einen so langen Hals, dass sie Ähnlichkeit mit unseren Schwänen bekam. Dabei hüpfte sie der darbringenden Hand so hoch entgegen, wie sonst nur ein Hase springen kann.
Wenn Helga dann endlich zu ihrem Kaffeepott zurückkehren wollte, watschelte Antje ganz selbstverständlich hinterher. Das Hoheitsgebiet Hüttenterrasse musste nun von Helga abgesteckt werden: bis hierher und nicht weiter. Nachdem ihr die Hüttenherrin das mehrmals recht deutlich klargemacht hatte, hielt sich die Ente an diese Ordnung. Sie lernte schnell.
Am Tag flog Antje nicht etwa zum See, sondern blieb auf der Wiese vor der Hütte. Zum Abkühlen benutze sie den Wassernapf. Wenn sie dort drin saß, das wenige Wasser spürend, verschwand der Wassernapf unter ihrem dicken Bauch.
Antjes Federkleid glänzte in unzähligen Farbschattierungen durch die liebevolle Zuwendung von Helga. Die Ente sah so gesund und gepflegt aus, dass es eine Augenweide war.
Helga vermutete, dass ihre schmucke Hausente spätestens im nächsten Jahr einen passenden Partner finden würde. Enten suchen sich ihren Partner jedes Jahr neu. In diesem Jahr sollte es wohl Helga sein?
Zum Glück ist die Natur doch stärker. Eines Tages ließ Antje ein Ei fallen. Nanu? Sollte das jetzt etwa Helga ausbrüten? Antje kümmerte sich nicht um deren Gewissensbisse.
Nach einer Woche tauchte dann ein Erpel auf. Er biederte sich ein wenig an, wurde von Helga genauso nett und problemlos aufgenommen. Es schien, als wollte er das „Elternhaus“ seiner Angebeteten kennenlernen. Alles in Ordnung! Wenige Tage später flatterten die beiden Wassertiere in die Flitterwochen. Adieu, ihr Beiden! Kümmert euch um den Nachwuchs!
Ente gut, alles gut!




© Brunhild Hauschild
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